Klage
und Jubel
(Die Presse) 29.06.2004
Cecilia Bartoli und die Wiener Philharmoniker im Zyklus
Meisterinterpreten: ein janusköpfiger Abend.
Vokale Farbspiele
Die Wiener Philharmoniker mit Cecilia Bartoli im Musikverein
KONZERT
29. Juni 2004
Cecilia Bartoli
Musikverein:
Cecilia Bartoli gab Salieri-Liederabend
Das kostbarste Instrument!
Musikverein:
Philharmoniker
Ohne Dirigenten, aber mit Bartoli
Klassik
Cecilia Bartoli
Hans Czerny - Hamburger Morgenpost
The Salieri Album
Vokale
Wutanfälle
Berliner Kritiken
Singende
Goldgräberin
Aus dem Archiv geborgen: Cecilia Bartoli entdeckt Mozarts Gegenspieler
Antonio Salieri
Funkelnde
Koloraturenfeuerwerke
Cecilia Bartoli gastierte mit musikalischen Raritäten zum
Abschluss der Pfingstfestspiele in Baden-Baden
Musikverein: Cecilia Bartoli gab Salieri-Liederabend
Das kostbarste Instrument!
Von Herbert Müller
Unsere liebste Italienerin nach "La gelateria" ist "La primadonna
assoluta" Cecilia Bartoli: Auch was Süßes, aber unendlich
raffinierter
. . . Am Wochenende holte sie nun ein im Dezember abgesagtes Konzert
nach, in dem sie ihren Lieblingskomponisten Antonio Salieri
präsentierte. Begleitet wurde sie vom Freiburger Barockorchester.
Petra
Müllejans leitete es vom Pult der Konzertmeisterin aus.
Vorgesehen waren nicht weniger als zehn kräfteraubende Arien,
aufgelockert durch vier Orchesterwerke des Kaiserlichen
Hofkapellmeisters.
Was sagt schon der Begriff "große Künstlerin"? Was
für einen
Verstand entwickelt diese liebenswerte Frau, um gewisse Töne
anzusingen! Ihr Humor erweicht das Herz, und die Qualitäten ihres
Timbres zu beschreiben übersteigt meine bescheidenen
Möglichkeiten. Am
ehesten könnte man sie mit einer kostbaren Viola vergleichen, die
in
hoher Lage gespielt wird, aber da dürfte die Bartoli
wahrscheinlich
noch das schönste Instrument an Fülle übertreffen. Und
die Virtuosität
ihrer Koloraturen erwies sich über längste Zeiträume als
"krisenfest"!
Die "Freiburger" wuchsen ihrerseits über sich hinaus, spielten
temperamentvoll, klangschön mit schier kammermusikalischer
Akkuratesse.
Was mir manchmal fehlte, war ein Cembalo . .
Erschienen am: 08.03.2004
Leidenschaft mit Risiko
30. Juli 2004 | 11:00
Mit neun Arien aus acht Opern von Antonio Salieri und drei Zugaben
verzückte und beglückte Cecilia Bartoli am Mittwoch im
Mozarteum das Salzburger Publikum.
karl harbSalzburg (SN). "La Bartoli" beschenkte ihre Hörer, die
wohl alle auch ihre Fans sind, überreich, und sie tat es so, wie
man es von ihr gewohnt ist: mit überschäumender Leidenschaft
und dem Einsatz aller ihrer Kräfte, von denen die Stimme "an sich"
nur eines der Mittel ist.
Für die Fundstücke Salieris entflammt Cecilia Bartoli wie
für die Arien von Vivaldi oder Gluck, die sie für ein in die
Hunderttausende gehendes Publikum entdeckte. Sie hat damit ein Gebiet
erobert, das ihr derzeit wohl niemand streitig macht. Lohnt es auch die
Substanz, sich für unbekannte Arien so zu verausgaben?
Im Falle Salieris, des mächtigen Wiener Hofkompositeurs, dem die
Legende lange hartnäckig andichtete, den "genialeren" Mozart
vergiftet zu haben, kommt Überraschendes zu Tage. Er verstand es,
für "geläufige Gurgeln" mit großer Abwechslung und
instrumentalem und vokalem Farbenreichtum theatralische Situationen
herzustellen. Da kann eine Sängerin vom Schlage der Bartoli
wahrlich alle Register ziehen. Also zischt und zischelt die Stimme,
girrt und gurrt, flötet und flirtet, wirft sich tonmalerisch kess
ins parodistische Zeug oder geht mitten hinein in heroische
Liebesintrigen, Treueschwüre, Eifersuchtsszenen, Schicksalsseufzer
oder herrische Gebärden, wenn eine Prinzessin Gherarda kühn
und unerschrocken den "Kampf" mit allen Frauen der Mythologie aufnimmt,
von denen sie schließlich wegwerfend meint: "Sie werden
alltägliche Frauen sein im Vergleich zu mir."
Nun ja, darin mag auch - ohne Anflug von Eitelkeit - ein Stückchen
Bartoli enthalten sein. Sie lässt spüren, dass sie Feuer und
Flamme für die Materie ist, die sie aus verstreuten Quellen
aufgelesen hat und die sie nun, im Gefolge einer erfolgreichen
CD-Produktion, landauf landab zum Besten gibt.
Situationen im Moment plastisch darzustellen, auch ohne Bühne:
Diese Präsenz hat die Bartoli in ungebrochenem Maß. Ihr
steht eine große Ausdruckspalette zur Verfügung, an der
Stimmpuristen verzweifeln mögen. Denn natürlich singt die
Bartoli weniger nach den Regeln der Stimm-"Reinheit", sondern der je
nach Situation immer neu justierten Stimmartistik oder -akrobatik.
Solcher Nervenkitzel kann Verzückung auslösen oder
Kopfschütteln.
Cecilia Bartoli lässt keinen kalt. Sie liebt den Einsatz mit hohem
Risiko. Sie gibt in jedem Moment alles. Das nötigt mindestens
Achtung und Respekt ab. Sie spielt mit allen Künsten der vokalen,
mimischen und gestischen Verführung. Das kann man "manieriert"
nennen oder aber als Ausdruck nehmen für die unbedingte
Leidenschaft an der Sache. Sie ist eine Sängerin, deren Fantasie
sich in ihrer Abendverfassung - auch - an der Interaktion mit den
Hörern entzündet. In diesem Sinne sind Bartoli-Abende stets
auch unberechenbar. Kann es aber für die Kunst Spannenderes als
Unmittelbarkeit und Nichtvorhersehbarkeit geben? Lassen wir die Frage
einfach so stehen. Nehmen wir mit, dass Cecilia Bartoli in Salieri
keinen Fall für die Musikgeschichte sieht, sondern nach
Kräften lebendige Gegenwart aufspürt. Aus einem Pasticcio
einen abwechslungsreichen Salieri-Opern-Abend gemacht zu haben, das ist
Bartoli wohl gelungen.
Das groß besetzte, von Petra Müllejans vom ersten Pult aus
geführte Freiburger Barockorchester hat seinerseits die
instrumentalen Farben recht scharf und dick und direkt aufgetragen. Man
merkte deutlich, dass ein Dirigent als kontrollierende und vor allem
mitatmende, mit der Sängerin phrasierende, mitgestaltende Instanz
fehlte. Dem Engagement tat die bisweilen ruppige Unmittelbarkeit nicht
direkt Abbruch. Das überkandidelte Klangbild schien aber
entschieden gewöhnungsbedürftig.
© SN/APA.
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